Frau Lehrerin, was hast du da?

„Frau Lehrerin, was hast du da?“, fragt mich Paul und zeigt auf seine Augen. Ich erzähle es ihm, weil es ja alles andere als ein Geheimnis ist.

Ich habe bei meinem rechten oberen Augenlid eine Fettablagerung. Bei meinem linken Auge sind es zwei, einmal am oberen und einmal am unteren Augenlid. Es sind kleine Dippel, die langsam vor sich hinwachsen.

Sie waren nicht immer schon da. Es begann im Jänner 2020. Bei meinem linken oberen Lid war ein kleiner Dippel zu sehen. Es sah fast wie ein kleines Talkwimmerl aus. Zuerst dachte ich mir, dass es sicher wieder von selbst verschwinden würde. Tja, da habe ich falsch gedacht. Kurz darauf war der nächste Dippel auf dem rechten Augenlid zu entdecken. Mein Freund meinte, dass mir zwei Hörner wachsen würden, wie es sich für ein kleines Teufelchen gehört.

Aus den kleinen Wimmerln wurden unübersehbare Dippel. Bald gesellte sich auch Dippel Nummer drei dazu.

Ich bin nicht jemand, der sofort zum Arzt rennt. So auch hier nicht. Es dauerte über ein Jahr, bis ich mir einen Termin holte. Nicht weil ich die Befürchtung hatte, dass es etwas Bösartiges sein könnte. Nein, ich wollte einfach wissen, was es ist.

Frag mich bitte nicht, wie der Fachbegriff für meine Dippel ist. Mein Arzt hat ihn mir gesagt, aber den Begriff habe ich sofort wieder vergessen. Ich habe mir nur gemerkt, dass es Fettablagerungen sind und nichts mit dem Körpergewicht oder der Ernährung zu tun hat. Entfernt werden sie nur, wenn sie das Sichtfeld beeinträchtigen.

Das heißt, meine Dippel gehören jetzt zu mir. Ob sie mich stören? Schön finde ich sie nicht, aber was soll ich machen? Es gibt Tage, an denen ich sie gar nicht wahrnehme, wenn ich in den Spiegel schaue. Und dann gibt es wieder Tage, an denen ich mich frage, warum sie gerade in meinem Gesicht wachsen müssen.

Es ist nun mal so, dass sich der Körper mit dem Alter verändert. Ich möchte das annehmen können. Das ist doch das Leben, dass wir nicht ewig jung bleiben. Ich möchte ein Vorbild für meine SchülerInnen sein. In den Medien sieht man nach wie vor hauptsächlich die schlanken, fast perfekten Models.

Ich frage mich, was Schönheit ist. Wenn man jemanden oder etwas als schön bezeichnet, ist das dann immer subjektiv, oder kann man auch objektiv etwas als schön ansehen? Bestimmen die vorherrschenden Schönheitsideale, was schön ist? Wer legt diese Schönheitsideale fest?

Du merkst schon, ich habe viel mehr Fragen als Antworten zu diesem Thema. Darüber könnte man mindestens ein Buch schreiben. Aber das soll hier nur ein Kapitel werden. Deshalb versuche ich zu einem Ende zu kommen.

Auf der Website gestalten.com habe ich folgende Aussagen gefunden, die mich ansprechen:

„Schönheit ist das, was wir als solche definieren.“

„Schönheit hängt heute nicht mehr von Konformität und Anpassung an starre, von der Gesellschaft vorgegebenen Ideale ab, sondern ist ein Mittel, Einzigartigkeit und die eigene Identität zu unterstreichen.“

Komm, lass uns einzigartig sein!

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